Was sind die wichtigsten Merkmale, Bestandteile und Schriftklassen?
Neben einem guten Stil verleiht nicht zuletzt die Schrift einem Text seinen unverwechselbaren Charakter. Doch welche Merkmale, Schriften und Bestandteile kann man unterscheiden? Ein wichtiges Thema für jeden Mediengestalter – nicht nur in der Prüfung
Beginnen wir mit den Schriftklassen. Die gängige Schriftklassifikation nach DIN-Norm (DIN 16518) unterscheidet folgende Gruppen:
Venezianische Renaissance-Antiqua (z.B. Stempel Schneider, Jenson, Centaur)
- Angelehnt an Formen der sehr frühen Druckzeit
- Besonderheit: schräggestellter Querstrich beim e
- Variierende Ober- und Unterlängen bei den Gemeinen
- Ziffern variieren in Ober- und Unterlängen
- Kräftige Serifen mit Kehlungen
- Starke, nach links geneigte Symmetrieachse
- Kaum Unterschied zwischen Haar- und Grundstrich
- Schräger Dachansatz
Französische Renaissance-Antiqua (z.B. Garamond, Palatino)
- Entstehung im 16. Jahrhundert in Frankreich, vornehmlich im Großraum Paris
- Besonders gut leserlich
- Achse oft nach links geneigt
- Ausgerundete Serifen
- Schräger Dachansatz
- Haar- und Grundstriche differenzieren stark
- Flacher Übergang der Serifen
- Waagerechter Querstrich beim e
Barock-Antiqua (z.B. Times New Roman, Baskerville)
- Starke Unterschiede in der Strichstärke
- Meist senkrechte Achse der Rundungen
- Weniger stark ausgeprägte Rundungen der Serifen
- Leicht gekehlte Serifen
- Schräger Dachansatz
Klassizistische Antiqua (z.B. Bodoni, Didot)
- Entstehung um 1800
- Besonders ausgeprägte Unterschiede zwischen Haar- und Grundstrich
- Senkrechte Symmetrieachse
- Kaum Rundungen an den Serifenachsen
- Serifen: Gerade, feine Linien ohne Kehlung
- Gerader Dachansatz
Serifenbetonte Linear-Antiqua (z.B. Clarendon, Rockwell)
- Anfang des 19. Jahrhunderts entstanden
- Stark betonte Serifen
- Gerade Linien bei Haar- und Grundstrichen der Serifen
- Senkrechte Symmetrieachse
- Zwischen Haar- und Grundstrich kaum Unterschiede
- Gerader Dachansatz
Serifenlose Linear-Antiqua (z.B. Futura, Eurostile, Arial)
- Gruppe wird oft als „Grotesk“ bezeichnet
- Strichstärke je nach Schriftart regelmäßig oder stark unterschiedlich
- Beinhaltet eine Fülle von Schriften, oft schwer einzuordnen
- Keine Serifen, kein Dachansatz
- Senkrechte Symmetrieachse
- Haar- und Grundstrich fast gleich
Antiqua-Varianten (z.B. Russisch Brot, Broadway, Cabaret)
- Alle Antiqua-Schriften, die sich in keine der bisherigen Gruppen einordnen lassen
- Abweichende Schriftführung
- Dekorativ (viele sogenannte „Dekoschriften“)
- Durchbrochen
- Versalschriften
Schreibschriften (z.B. Brush Script, Poetic, Künstlerhandschrift)
- Sehr schwungvoll
- Buchstaben meist miteinander verbunden
- Sind Handschriften nachempfunden
Handschriftliche Antiqua (z.B. Zapf Chancery, Vivaldi)
- Schriften abgeleitet von Antiqua
- Einzelne Zeichen handschriftlich abgewandelt
- Persönliches Erscheinungsbild
- Buchstaben nicht verbunden
Gebrochene Schriften (z.B. Fette Fraktura, Alte Schwabacher, Old English Text)
- Fünf Untergruppen: Gotisch, Rundgotisch, Schwabacher, Fraktur, Fraktur-Varianten
- Gebrochene Rundungen und Ecken
- Buchstaben wurden mit Spatel oder Breitfeder geschrieben
Fremde Schriften (z.B. Chinesisch, Hebräisch, Bilderschriften, Quadi, Amer, Badr)
- Alle nicht lateinischen Schriften
Die Grundstruktur einer Schrift zeichnet sich durch ihre verschiedenen Bestandteile aus, die wir euch hier in Kürze erklären:
Die Grundlinie
Die Grundlinie wird auch als Schriftlinie bezeichnet. Sie bildet die horizontale Achse zwischen der Mittel- und der Unterlinie sowie die Standlinie der Versalien und Kleinbuchstaben.
Die Unterlänge
Als Unterlänge werden die Elemente der Minuskeln (Kleinbuchstaben) bezeichnet, die unterhalb der Grundlinie liegen. Beispiele sind die Buchstaben g, j, p und y. Die Unterlängen sollten in der Regel nicht kürzer sein als die Oberlängen.
Mittellänge
Sie wird auch als x-Höhe bezeichnet und bildet den Kernbereich der Buchstaben. Die Mittellänge entspricht der regulären Höhe der Kleinbuchstaben. Vor allem bei Büchern oder Zeitungen solltet ihr auf eine starke Mittellinie achten, denn sie entscheidet, ob eine Schrift auch bei geringer Größe noch gut lesbar ist.
Versalhöhe
Die vertikale Ausdehnung, sprich: die Höhe, der Großbuchstaben (Majuskeln) wird als Versalhöhe bezeichnet. In der Regel ragt die Oberlänge über die Versalhöhe hinaus. So erscheinen gerade und gekrümmte Buchstaben gleich hoch.
Oberlängen
Die Oberlänge beschreibt denjenigen Teil der Kleinbuchstaben, der über die Mittellänge hinausragt. Beispiele sind die Buchstaben d, f, h, l und k. Meist sind die Oberlängen etwas höher als die Versalhöhe, um die Minuskeln mit den Majuskeln auf einer Linie erscheinen zu lassen. Auch hier wird also – ähnlich wie bei der Versalhöhe – ein optischer Trick angewendet.
Schriftgrad
Als Schriftgrad wird die Größe der Schrift bezeichnet. Er reicht von der Oberkante der Oberlänge bis zur Unterkante der Unterlänge.
Vor- und Nachbreite
Die Vorbreite bestimmt den Abstand zum vorherigen, die Nachbreite den zum nachfolgenden Buchstaben.
Dickte
Als Dickte bezeichnet man in der Typografie die gesamte Breite eines Buchstaben. Auch die Vor- und Nachbreite zählen dazu.
Laufweite
Unter Laufweite versteht man den Abstand zwischen den einzelnen Zeichen einer Schrift. Im Digitalsatz kann die Laufweite beliebig variieren. Anders sieht es im Bleisatz aus, da hier die Dickte bereits durch den metallischen Kegel festgelegt ist. Nur durch das Einfügen von „Trennfugen“, sogenannten Spatien, kann die Laufweite verändert werden. Im Fotosatz lässt sich die Laufweite wiederum problemlos anpassen.
Kerning
Ein anderer Begriff für Kerning ist „Unterschneiden“. Dabei wird der horizontale Abstand, der Weißraum, zwischen mehreren Buchstaben durch einen optischen Ausgleich so verringert, dass er gleichmäßiger wirkt. Das Schriftbild erscheint dem Betrachter auf diese Weise angenehmer, ist also leserfreundlicher.
Ligatur
Als Ligatur bezeichnet man die Verbindung zweier oder mehrerer Buchstaben zu einer Glyphe.
Auslaufpunkt
Der Auslaufpunkt, auch als Tropfen bezeichnet, ist die tropfenförmige Verdickung am Linienende eines Buchstaben.
Dachansatz
Der Dachansatz ist der obere, schräge oder horizontale, Strich, also die oberste Linie, eines Buchstaben.
Haarstrich
Als Haarstrich wird die dünnste Linie eines Buchstaben bezeichnet.
Grundstrich
Mit dem Grundstrich werden die senkrechten Linien eines Buchstaben bezeichnet. Er ist wichtig für den gesamten Aufbau und das Erscheinungsbild eines Buchstaben.
Serife
Serifen sind die häkchenartigen Enden eines Buchstaben bei einigen Schriftarten.
Punze
Die Punze ist die teilweise oder vollständig geschlossene Fläche eines Buchstaben. Buchstaben mit vollständig geschlossenen Flächen sind beispielsweise a, d, o oder p. Teilweise geschlossene Flächen findet man beim etwa beim n oder u.
Amalie
3. März 2017 um 09:02
Sollte es nicht bei der Definition der Unterläge „Als Unterlänge werden die Elemente der Minuskeln (Kleinbuchstaben) bezeichnet, die unterhalb der Unterlinie liegen.“ Grundlinie anstatt Unterlinie heißen?
PICAPOINT Blog
3. März 2017 um 10:10
Hier ist uns wohl ein kleiner Fehler unterlaufen. Es muss tatsächlich „Grundlinie“ heißen. Vielen Dank für den Hinweis!